Ich will leben!

Sie war eine quirlige, kleine, runde Frau, wenn sie lachte, dann bebte der ganze Körper. Und sie lachte oft. Ich sagte einmal zu ihr: „Wenn Du keine Ohren hättest, dann würdest Du rund um den Kopf lachen“. Jolanda war herrlich, sie hat das Leben gefeiert, sie hat sich Frechheiten und Freiheiten erlaubt. In unserem ersten Gespräch vor etwa 15 Jahren legte sie gleich die Karten auf den Tisch: Sie hatte einige Kapriolen gemacht in ihrem Leben. Und dann, am Analysetag, da sagte sie 10 oder 15 Mal: Ich will leben. Oder: Ich will doch nur leben. Oder: Ich Ich will endlich leben.

Ich musste da eingreifen. Sagte: Du lebst doch schon! Das hat doch nichts mit Wollen zu tun! Du lebst! Ich denke, ich wurde fast ein bisschen wütend, weil sie dieses Leben so gar nicht wahrnahm.

Aber ihre grossen Augen gingen weit auf und dann lachten wir: JA! Sie war am Leben.

Es ist ein Phänomen, das so viele Menschen immer davon sprechen, leben, endlich leben – oder etwas er-leben zu wollen. Und es verschieben. Dann, wenn sie endlich mal dafür Zeit haben. Dann, wenn die Pflichten und Verantwortlichkeiten und Zwangsjäckchen kleiner geworden sind. Dann, wenn man abgearbeitet hat, was vorher noch zu erledigen wäre.

Spürst Du das Leben in Dir?

Nimmst Du wahr, dass Du am Leben bist?

Niemand kann das besser erklären als Eckart Tolle (immer und immer wieder erwähne ich gerne sein Buch: JETZT. Die Kraft der Gegenwart). Er stellt eine mini Übung zur Verfügung:

Setz Dich entspannt in einen Stuhl, lass Deine Arme locker über die Lehnen hängen. Schliesse die Augen. Ohne zu bewegen, ohne hinzuschauen: Bist Du sicher dass Du eine rechte Hand hast?

Spüre.

Wenn Du das Kribbeln, die pulsierende Energie in Deiner Hand spürst, dann lebst Du.

Niemand anders -niemand anders!- kann das spüren. Dass Du am Leben bist.

Siehst Du die Freiheit in dieser Tatsache?

Du lebst!

Machst Du etwas daraus?

Geniesst Du es auch ordentlich?

Nutzt Du dieses Geschenk?

Er-lebst Du genug?

Lebst Du aus dem Vollen Deiner Empfindungen? Umarmst Du das Leben? Gehst Du Deinen Chancen nach? Folgst Du Deinem Herzen, deinen Impulsen?

Was hält das Leben (noch) für Dich in den Händen? Willst Du es?

In der vergangenen Woche hatte ich nicht nur mit meiner Erinnerung an Jolanda zu tun. Ich traf auch Menschen, junge Menschen, die am Leben leiden. Die wegen einer vergangenen Liebe, wegen gescheiterten Plänen und wegen Unpässlichkeiten in einer Sackgasse stecken. Natürlich gibt es immer einen Weg zurück ins Leben, in den Fluss, wenn wir irgendwo an einer Wand stehen und keinen Ausweg mehr sehen. Meistens, in fast allen Fällen, müssen wir uns nur umdrehen und gut hinsehen:

Was will das Leben jetzt von Dir?

Nun, vor allem eins: Dass Du es lebst. Dass Du es erkennst. Dass Du es feierst, solange Du es (noch) hast. Keinen Tag Deines kostbarsten Guts vergeuden. Nutze den Tag, nutze das was ist, nutze deine Sinne, deine Energie, deine Lust und deine Freude an dem, was sich jeden Tag von Neuem anbietet.

Jolanda ist letzte Woche, knapp 64, plötzlich zusammen gesackt und war tot. Ohne Ankündigung und ohne Vorgeschichte war das Leben plötzlich ausgepustet wie eine Kerze. Ich hoffe, sie hat es jeden Tag genossen, dieses Geschenk Leben.

Lebst Du schon – oder willst Du Leben?


Willkommen in der Adlerperspektive.

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