Ein Adler – so eine indianische Legende – kann bis zu 70 Jahre alt werden, wenn…? Wenn er sich mit etwa 40 einem radikalen Veränderungsprozess unterzieht! Ansonsten stirbt er. Unweigerlich.
Denn sein Federkleid wurde so schwer, dass er nicht mehr fliegen kann. Schnabel und Krallen so lang, dass seine einst besten „Werkzeuge“ ihn nun hindern, Beute zu schlagen. So ruft ihn das Leben an eine Weggabelung. Entweder ein naher Tod – oder ein schmerzhafter Prozess der Transformation, der sich über Monate erstreckt. Der Adler ist aufgerufen, mit schwindender Kraft in die Einsamkeit seines Horstes zu fliegen, sich dort selbst die Federn auszureissen, den langen Schnabel am Fels zu brechen und die Krallen dazu. Wird er das tun?
Wirst Du das tun?
Bist Du bereit die „alten Zöpfe“ abzuschneiden?
Bist Du bereit einmal radikal alles loszulassen was nicht zu Dir gehört?
Bist Du bereit etwas Liebgewonnenes aufzugeben um wieder leicht zu werden?
Bist Du bereit auf scheinbare Sicherheit zu verzichten?
Bist Du bereit Dich vollkommen neu zu erfinden?
Bist Du bereit endlich, endlich loszulassen was Dich schwer macht?
Der Adler stellt sich diesem Prozess, um zu leben. Nicht nur zum Überleben!
So beginnt der Adler im Aussen. Im Schutz seines Horstes reisst er sich die überflüssigen Federn aus. Denn sein Federkleid wurde so schwer, dass ihn das Gewicht in den Tod drücken würde. Es ist ein ebenso schmerzhafter wie heilender Prozess. Feder um Feder fällt – und auch die äussere Form des Adlers scheint sich zu verjüngen. Er gewährt sich Zeit für seine Heilung.
Als nächstes beginnt er, seine viel zu lang gewordenen Krallen zu stutzen. Denn die Krallen, mit denen er seine Beute schlug, wurden überlang. Jetzt sind sie kontraproduktiv. Sie behindern, statt zu unterstützen. Es ist, als wären sie ihren eigenen Weg gegangen, anstatt auf das Gesamte zu achten.
Nun kommt der letzte Schritt. Der Schnabel. Auch dieser: Viel zu lang! Viel zu gross! Viel zu dominant! Die Überlänge des Schnabels verhindert, dass sich der Adler selbst ernährt. Er leidet Hunger, obwohl die Natur ihm reichlich Nahrung bietet. So bricht er achtsam seinen Schnabel am nahen Fels und lässt sich leiten vom rechten Mass. Etwas in ihm weiss um Stimmigkeit, spürt den besten Moment und ermutigt ihn, den Schritt des Bruchs zu wagen. Er verlässt damit die Zone des Bekannten, gibt – um die Not zu wenden – Kontrolle auf und riskiert die Hinwendung zum Unbekannten. Er schlägt seinen Schnabel an den Felsen. Der poröse Teil des Schnabels bricht und die bekannte Schärfe beginnt sich zu zeigen.
Nun braucht der Adler Zeit, um diese Erfahrungen zu integrieren. Er will sich neu orientieren und das Geschenk des Lebens bewusst zelebrieren. Doch bald fliegt er hinaus, getragen vom Brennen seines Herzens, um seinen Beitrag zu geben und seine Ernte zu geniessen. Das grösste Geschenk ist: Der Adler ist nicht allein. Die guten Winde begleiten ihn, die Sonne lacht ihm zu und er sieht, über den nahen Tälern hinter den Bergen – andere Adler. Dieser Adler, so endet die Legende, bist du.
Echtes, authentisches Leben kann immer nur in Wellen, im Rhythmus gehen: Loslassen, festhalten, loslassen, festhalten,loslassen…
Am Ende müssen wir alle irgendwann loslassen.
Ich erinnere mich an mein Pferd, er ist heute vor 6 Jahren gestorben. Er galoppierte nach einem allerletzten Ritt auf die Weide. Er buckelte noch ein bisschen freudvoll, für sein biblisches Alter bereits auffällig. Dann knickte er seine langen schönen Beine, rieb sich ein bisschen am Gras, nahm einen tiefen einatmenden Luftzug und atmete genauso tief aus. Und nicht mehr ein. Es gibt keinen schöneren Abschied. Ausatmen, loslassen.
Du musst nicht Dein Leben loslassen heute, diese Woche.
Aber: Welche Federn, die Dich schwer machen kannst Du loslassen?
Welchen Zugriff, den Du klammernd machst kannst Du aufgeben?
Welche ungesagten Worte können aus Deinem Mund fliessen?
Welche Last kannst Du aufhören zu tragen?
Sei mutig, sei radikal. Stirb und werde. Gib auf und empfange die Geschenke eines neuen Anfangs.
Die Zeit ist JETZT.
Willkommen in der Adlerperspektive!

