Man könnte meinen ich habe die Ungeduld erfunden. Aber das stimmt so nicht. Ich kenne nämlich extrem viele Ungeduldige und sehr wenig Geduldige.
In der jetzigen Zeit muss ohnehin alles schnell gehen. Wir wollen nicht warten, auf nichts. Es muss schnell gehen. Wir wollen es schnell haben. Schnell tun. Schnell erreichen.
Es ist ein running Gag, dass ich immer das Gleiche sage, wenn Menschen zu mir sagen: „Ich muss mal schnell aufs WC“. Dann sage ich: „Geh langsam und lass es gemütlich aus Dir heraus laufen“. Es ist doch auch schön, mal einen Moment nichts anderes zu tun zu haben! Wenn Du nicht mit dem Smartphone oder der Zeitung auf dem WC thronst dann hast Du ein paar Minuten, die Du innehalten kannst. Vielleicht die einzigen heute?
Wie wäre es, die Dinge einmal l a n g s a m zu machen?
Was tut das mit Dir, wenn Du Dir Zeit nimmst und ganz wie ein Zen-Mönch alles achtsam machst?
Was schenkt Dir dann die Zeit und das heraus genommene Tempo?
Vielleicht Genuss? Vielleicht Wachheit?
Wie lange dauert zum Beispiel Deine Morgenroutine?
Lässt Du Dir Zeit zum Aufstehen? Räkelst Du noch ein bisschen im Bett bevor Deine Füsse Dich in die nächsten Schritte tragen? Geniesst Du eine lange schöne genüsslich duftende Dusche? Das vorgewärmte Handtuch? Und dann – ein tolles Frühstück? Lässt Du Dir Zeit?
Vor einigen Jahren war ich so gestresst dass ich fast zum Randalieren begann wenn etwas nicht zack-zack gehen konnte. Ich erinnere mich an einen Morgen, an dem ich wieder einmal gegen die Uhr rannte. Da sah ich, dass mein Sprit nicht mehr in die Praxis reicht. Es war unheimlich kalt an dem Morgen, ich hielt an einer Tankstelle und weil die Zeit knapp war tankte ich nur ein paar Liter. Danach wollte ich die Tür meines Beetle öffnen und sie war inzwischen wegen dem Kondenswasser vorher eingefroren. Ich trat mein süsses Auto in die Reifen und schrie es an: „Du musst jetzt gefälligst funktionieren Du Scheissding!“ Aber der Wagen öffnete die Tür nicht. Ich musste meinen Kunden anrufen, klar das Handy war greifbar in meiner Jackentasche. Ich sagte ihm ab, weil ich wusste dass ich es nicht mehr schnell schaffe. Einen Moment dachte ich nach, dann sagte ich auch noch alle weiteren Kunden ab.
Ich fuhr nach Hause, nachdem mein Beetle von einem freundlichen Mit-Tanker enteist worden war. Dann machte ich mir ein Frühstück und legte mich aufs Sofa. Ich gönnte mir eine Vollbremsung. Erst da wusste ich, wie mörderisch mein Tempo schon wieder geworden war.
Ich sag es ehrlich: Das ist mir oft, sehr oft, passiert.
Gas geben, vollbremsen. Gas geben, mich selbst überholen, vollbremsen.
Erst nach einigen Jahren und etlichen verbrannten Bremsmanövern habe ich erkennen können, dass beständiges und langsames Vorgehen viel besser gesünder und nachhaltiger ans Ziel bringt. Auch in meinen Coachings konnte das wohltuend einfliessen. Jeder hat ein anderes Tempo, sich vorwärts zu bewegen. Jeder braucht seine eigene Zeit, seinen eigenen Rhythmus, kleine oder grosse Schritte, Radikales oder Sanftes.
Welches Tempo brauchst Du, um Dich entspannt dahin zu bewegen wo Du hin willst?
Hast Du die Zeit, die Dinge reifen zu lassen?
Kannst Du abwarten?
Kannst Du beobachten, wann es richtig ist, wann die Gegebenheiten optimal sind für den nächsten Schritt?
Gibst Du Dir Zeit?
Meinst Du es gut mit Dir?
Vielleicht ist das die wichtigste Frage überhaupt: Meinst Du es gut mit Dir?
Tue nichts – und lass nichts ungetan. Das ist eine wunderbare Weisheit von einem meiner Lehrer: Wayne Dyer. Und das heisst: Tue nichts um die Dinge zu beschleunigen. Lass nichts ungetan, zu was Du jetzt gerade in der Lage wärst.
Geh langsam, lass Dir Zeit, geniesse. Und ab und zu muss man auch mal hängen können. Die Akkus laden, durchatmen, den Moment wahrnehmen.
Willkommen in der Adlerperspektive.
Hier noch ein kleines musikalisches Pralinenstückchen zu diesem Thema:
