„Du musst Dich entscheiden, willst Du gut sein, oder ganz“ (C.G.Jung)

Vor vielen Jahren, in der Schleyer-Halle in Stuttgart: Tosender Applaus braust auf, die Zuschauer werden aus den Sitzen gerissen. Wir jubeln, trampeln, schreien. Wir sind – verzückt. Ben Becker kommt zurück auf die Bühne und lässt sich feiern. Gerade noch hat er uns alle in den Bann gezogen. Ein Punk, ein enfant terrible, ein polarisierender aber grandioser Schauspieler hat sich gewagt, „Die Bibel“ zu lesen. Mit Pathos und Kraft, mit Leib und Seele. Sein Vortrag war ein Tanz auf der scharfen Messerklinge. Er hat sich gezeigt, zur Verfügung gestellt- Wieder und wieder verbeugt er sich, umarmt sich selbst und schreit schliesslich: „Was bin ich doch nur für eine selbstverliebte Sau!“

Ein neues Bild. In Grosnez, der steilsten Klippe auf Jersey. Martin steht da und streckt sich und dann bricht es aus ihm heraus: Seine Wahrheit. Sein Wesen offenbart sich. Mit einem Mal sprengt er seine Ketten, seine Rüstung, seine Zurückhaltung fliegt uns um die Ohren und er schreit seine intimsten Gedanken, macht sich nackt, zeigt sich vollständig. Wie so oft gehe ich in die Knie und bin schockverliebt in diesen Menschen, der sich da so verwundbar so echt so authentisch ausdrückt.

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Ich habe mich in jeden Coachee verliebt, der je auf Jersey seine Wahrheit gefunden und offenbart hat. Weil es eben ECHT war. Und die Ehrlichkeit, die Authentizität den Raum füllte. Man sagt dem heute gerne: Präsenz.

Ben Becker spielt keine Rollen, er lässt sie unter seine Haut kriechen und verbindet sie mit seinem Wesenskern. Er kann nur so: Intensiv. Leidenschaftlich. Laut. Verzweifelt. Bis aufs Blut.

Und so fühlt es sich für jeden Menschen an, der authentisch sich selbst ist: Alles Unechte verschwindet. Jedes Spielen einer Rolle, jede Zurückhaltung, jedes Ausweichen, jede gespielte Bescheidenheit, jede Anpassung fällt in sich zusammen und es zeigt sich: Der wahre Mensch.

Warum wagen so viele Menschen nicht, sich selbst zu sein?

Warum ist es so viel einfacher sich zu verstecken, zu verstellen, damit man in die Masse passt?

Es ist ein riesiges Wagnis und zeugt von grossem Mut, sich zu zeigen. Denn unsere Aussenwelt zeigt dann gerne mit dem Finger und urteilt, verurteilt auch. Man soll sich nicht zu sehr zeigen, das mache verletzlich, das lernen wir schon früh.

Ich behaupte aber, es verletzt so viel mehr, sich nicht selbst zu sein. Es schmerzt unendlich, sich anzupassen an ein Bild, dem man nicht entspricht.

Wir ersticken alle im Funktionieren, im Pflichterfüllen, im Erwartungen gerecht werden, im Bravsein. Und: Es ist ohnehin offensichtlich, das man dabei lügt.

Der Concon aus antrainierter Bescheidenheit und Zurückhaltung zwingt uns alle in eine Haltung, die uns implodieren lässt. Früher oder später – aber auf jeden Fall sicher! – wird sich unser wahres Wesen zeigen. Dieses Verstecken geht niemals für immer. Und je stärker wir es vehement unterdrücken umso mehr wird es uns schliesslich unter eine riesige Spannung bringen, die dann explodiert, wenn es eigentlich gerade nicht förderlich ist.

C.G.Jung hat in diesem Zusammenhang von dem Moment gesprochen, der uns radikal auf uns selbst zurück wirft. Die Individuation.

Individuation bedeutet: zum Einzelwesen werden, und, insofern wir
unter Individualität unsere innerste, letzte und unvergleichbare Einzigartigkeit verstehen, zum eigenen Selbst werden. Man könnte ,Individuation‘ darum auch als ,Verselbstung‘ oder als Selbstverwirklichung‘ übersetzen“     (C.G.Jung 1933)

C.G.Jung nannte den „Spiegel-Moment“ den Zeitpunkt des Erwachens. Jeder Mensch kommt in der Lebensmitte an diesen Punkt. Und danach beginnt die „Individuation“, die Befreiung unseres wahren Wesenskerns.

Es geht nicht mehr darum, sich danach zu richten, was man tun sollte und was im Allgemeinen richtig wäre, sondern um die eigene innere Wahrheit.

Wie frei – wie authentisch bist Du?

Wie sehr nackt und ehrlich, authentisch und intim zeigst Du Dich?

Bist Du – wahr?

In meinen Coachings ist das ein ganz wesentlicher Kernpunkt: Sich endlich! endlich! befreien von den einengenden Ketten, die wir uns zunächst selbst angelegt haben. Und dann auch allen anderen erlaubt haben, sie uns anzulegen. Denn: Wenn wir spielen, lieb und brav und angepasst zu sein, dann sind wir keine Gefahr für andere, wir sind berechenbar und manipulierbar. Denn: Wir antworten ja nicht mit der uns eigenen Wesensart, sondern auch so, wie man es von uns erwartet.

Sich selbst sein bringt die grösste Freiheit und kostet den grössten Mut. Denn dann wirst Du nicht mehr mit der Masse schwimmen, sondern heraustreten und Deine eigene Meinung, deine eigenen Handlungen, deine eigenen Entscheidungen treffen.

Vor Jahren ging ich zu einem Falkner, der mich gleich mit den allerersten Worten ins Mark erschütterte. Er liess den mächtigen Adler ausfliegen und zeigt auf den Boden des abschüssigen Berges vor uns. Dann sagte er: „Hast Du gesehen, was jetzt gerade passiert ist? Der Adler zeigt sich am Himmel. Und alles verhält sich jetzt korrekt.“

Willst Du, das sich Menschen Dir gegenüber korrekt verhalten?

Korrekt in diesem Sinne meint: Deinem wirklichen Wesen entsprechend. Das heisst im Umkehrschluss: Du muss radikal zeigen wer Du bist, wie Du bist. Du machst Dich damit durchaus auch: Verwundbar. Denn es gibt keine Rüstung mehr die Dich schützt.

Bist Du bereit, Dich nackt zu machen und zu zeigen?

Willst Du gut sein? Oder ganz?

Willkommen in der Adlerperspektive.

Das Interview mit Ben: Echt und authentisch.

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