Abenteuerland

Letzte Woche war ich bei einem Knochenbrecher. Ganz ehrlich, so hat es sich angefühlt.     Ein Physiotherapeut, der wirklich intensiv arbeitet. Von den 90 Minuten, die ich auf seinem Massagetisch lag, wollte ich 75 Minuten laut schreien vor Schmerz. Der kleine, kräftige Mann aus Italien, der riesige Hände und einen goldigen Humor hat, hat wahre Wunder in meinem Körper vollbracht. Aber es war schmerzhaft. Sehr schmerzhaft. Und ich bin keineswegs wehleidig. Ich halte was aus.

Weil ich was aushalte, habe ich mir auch jede Menge Härte angewöhnt. So viel, dass mein gesamter Body sich verkrampft hat. Der Italiener also legt seine Hände an und drückt, schiebt, hebelt, legt sich auf meinen Rippenbogen, biegt meine Beine in Richtungen, in denen sie lange nicht mehr wahren.

Etwa in der Mitte der Tortour fragt er mich, ob ich nicht mal langsam aufgeben möchte? Locker lassen? Ich sage: Ich bin doch locker! Und er: Keine Ahnung, was Du damit meinst! Du bist voller verdammten Widerstand!

Ich musste lachen. Und das brachte das Eis zum Schmelzen. Ihr dürft Euch dieses Gespräch gerne auf Italienisch vorstellen. Mit der entsprechenden Gestik. Mein Italienisch ist eine Katastrophe. Aber das habe ich wortwörtlich verstanden. Und seine Attitüde auch.

Nachdem ich von der Praxis zum Auto getanzt! bin und federleichten Schrittes mit meinem Hund die nächste Wanderung machte, wurde mir klar, dass ich mich verweigert hatte. Und dass das nicht mein ganz persönliches Problem ist, sondern die ganze Welt im Moment erstarrt. Wir alle versuchen die Krise zu „managen“, damit klar zu kommen, uns abzufinden. Aber nur ganz wenige können mit dem flow gehen und etwas Neues daraus entstehen lassen.

Wir teilen uns auf in Pro und Contra, in Gehorsam oder Ungehorsam. Wir haben Angst oder wir verlieren uns in Ideen, was dahinter stecken könnte. Die ersten Demonstrationen entstehen, es gibt Für und Wider Lockdown.

Als ich letzte Woche meine Arbeit wieder aufnahm, hörte ich sehr verschiedene Ansichten, besprach es mit meinen Klienten, aber auch mit Freunden, immer kontrovers. Alle aber wollten die Freiheit, den Normalzustand zurück. Fast niemand erschuf etwas ganz Neues aus dem, was jetzt gerade ist. Unsere Kreativität ist blockiert, unsere Spontanität stark eingeschränkt.

Ich möchte es nicht schönreden, mich nervt das Thema gewaltig. Und auch die Einschränkung meiner Freiheit macht mir sehr zu schaffen.

Aber das Jammern ist keine Lösung.

Wie gehen wir also mit der Krise um?

Und was ist eine Krise?

Ich habe da von einem wichtigen Menschen gelernt, Bertrand Piccard.

Mit seinem Luftballon Breitling Orbiter ist er einmal ins Mittelmeer gestürzt, eine zweite Flugreise musste über China abgebrochen werden. Erst beim dritten Mal gelang die Erdumrundung und damit der Weltrekord. Auch mit seinem Flugzeug «Solar Impulse» musste er immer wieder Rückschläge einstecken, bevor die 42’000 km um den Erdball geschafft waren.

Für den Pionier der Lüfte ist klar: «Das Abenteuer ist eine Krise, die man annimmt, und eine Krise ist ein Abenteuer, das man ablehnt.» Für den ausgebildeten Psychiater ist unsere Sicht der Dinge der eigentliche Stolperstein.

Lies diesen Satz nochmals: Eine Krise ist ein Abenteuer, das man ablehnt.

Welches Abenteuer lehnst Du gerade ab?

Welcher Krise willst Du Dich entziehen, statt Dich ihr mutig und mit vollem Einsatz zu stellen?

Vielleicht wärst Du ohne den Widerstand – federleicht? Kreativ? Und –

innerlich frei?

 

Willkommen in der Adlerperspektive.

2 Gedanken zu “Abenteuerland

  1. Ursula Züger

    Hallo ihr Lieben
    Für mich ist diese Zeit die absolute Freiheit und ein Geschenk gottes.
    Keine Thermine mehr also mehr Freiheit einfach die Wunder der Natur auch alleine zu bestaunen. Heute habe ich soooo lange einem Schmetterling ((Schwalbenschwanz) zugeschaut und zwar sicher gegen eine halbe Stunde. Die Farben leuchteten in der Sonne grandios.
    Die Zeichnung auf den Flügeln war zu bewundern sooo fantastisch ein Wunderwerk gottes. Wann habt ihr euch das letzte Mal diese Zeit geschenkt?? Einfach zu beobachten?? Und zu geniessen was so kostbar ist in unserer Welt.
    Auch geniesse ich diese Zeit wieder ganz bewusst neue Rezepte kochen und backe wieder viel mehr weil jetzt genügend Zeit da ist. Auch der Garten hat wieder an Wert gewonnen ich ziehe seit neustem alle Setzlunge selber es macht so viel Freude jeden Tag den Fortschritt zu sehen wie sie an Grösse zunehmen. Ebenfalls beobachte ich alle Leute sind viel geduldiger und dankbarer geworden all dies bringt uns diese geniale Zeit jetzt.
    Geniesst bitte alle diese Zeit endlich Zeit zu haben für alles.
    Das ist doch Freiheit.
    Seid gesegnet mit mit allen Schönheiten dieser Welt und bleibt Gesund alles Liebe an euch alle Ursula

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    1. Danke liebe Ursula, das finde ich wunderbar für Dich. Und ja, es war schön zu sehen wie plötzlich alles sehr langsam wurde. Leider hatten nicht alle miteinander viel mehr Zeit. Das Leben kann auch mit Terminen und Zeitdruck ein Abeneuer sein, wir müssen uns nur darauf focussieren. Liebe Grüsse!

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