Bei einem Spaziergang heute begegnete ich diesen Steinen, die aufgereiht in einem Feld standen. Wenn man es nicht weiss, kann man sich das nicht erklären. Es sind Steine, auf die später Holzbalken gelegt werden, damit daran die Reben gebunden werden können. … Nur: diese Steine standen nicht mehr um die Weinstöcke. Diese waren entfernt worden und die Steine standen da, ich meinte: Wie Wächter, die mahnen: Hier muss angelehnt und angebunden werden. Sie ruinierten ein bisschen die hübsche Wiese.
Da ich in der letzten Woche eine intensive Diskussion über „Regeln“ hatte, war ich sogleich daran erinnert worden. Denn Regeln können Halt, Struktur und Ordnung geben – und sie können auch die ganze Landschaft stören.
Es gab eine Zeit in der „Regeln“ mein Reizwort waren, ebenso wie „Disziplin“ oder „Pflichten“. Rebellen wollen keine Regeln, schon gar nicht welchen folgen und auch keine aufstellen. Anarchie. Chaos. Rebellen glauben daran, dass sich die Dinge selbst regulieren und regeln, wenn man sie einfach laufen lässt. Aber so ist es nicht. Es führt zu noch mehr Unkontrolliertem und ohne ein paar Regeln ist jede Harmonie nichts.
So weiss zum Beispiel der Baum, dass er im Winter kein Wasser trinkt, das Tierreich, dass Nachkommen, die in der warmen Zeit geboren werden eher überlebensfähig sind, die ersten Frühlingsboten erst nach einigen Nächten ohne Frost den Kopf aus der kalten Erde strecken. Ich hatte kürzlich die Begegnung mit einem Feuersalamander, der aus einem dummen Zufall heraus zu früh wach geworden war und daher ganz langsam kroch, dem sicheren Tod geweiht, weil es noch keine Nahrung und viel zu viel Gefahren gibt.
Vor einigen Jahren hatte ich Bekanntschaft mit einem Paar, das sich seitenweise Regeln diktierte, wie wann und was gemacht oder eben nicht gemacht und gesagt werden darf. Vor lauter Regeln verloren die beiden etwas aus den Augen, was ihnen gut getan hätte: Die Liebe, die Leichtigkeit und die Spontanität. Die Beziehung ist letztlich an der Enge gescheitert, die die beiden sich gegenseitig aufzwangen.
Zu viele Regeln sind einengend und pressen uns zusammen. Zu wenige aber sind uferlos und verwässern alles, zerstören Räume und Sicherheiten.
Wie wäre es, wenn wir uns alle auf maximal DREI Regeln einigen können?
Wie viele Regeln brauchst Du im Zusammenleben? Warum?
Welche drei Regeln hältst Du für elementar?
Welche Regeln würdest Du gerne weltweit eingehalten sehen?
Und welche Regeln sind wie die Steine, die ich gesehen habe – überholt – dem Zweck nicht mehr dienlich und könnten entfernt werden?
Kannst Du Regeln zurück nehmen, wenn der Wind der Zeit sich dreht?
Es gibt durchaus auch Regeln, an die sich niemals jemand halten kann. Wie erfrischend ist der Humor der Iren, die gerne absurde Strassenschilder aufstellen um sich über Regeln zu amüsieren, seht selbst:
Vor vielen Jahren begegnete ich einem wunderbaren Lehrer, Michael Roads. Er hatte nur eine einzige Regel, der er folgte. Sie war das Kernstück seiner Lehre.
Er sagte: Wenn Du Angst hast, dann entscheide Dich stattdessen für die Liebe. Wenn Du Recht haben willst, dann entscheide Dich stattdessen für die Liebe. Wenn jemand einen Streit anzetteln will oder Dich provoziert, dann entscheide Dich stattdessen für die Liebe. Wenn Du negative Gedanken hast oder Deine negativen Gefühle Dich in eine unangenehme Richtung gehen laufen lassen, dann entscheide Dich stattdessen für die Liebe.
Dieses „choose love“ liess er uns immer wieder mantramässig durchspielen.
Anstrengend, diese Regel. Aber wie wunderbar, wenn sie funktionieren kann.
Der Adler strebt stets nach dem Höchsten.
Welcher höchsten Regel möchtest Du folgen?
Willkommen in der Adlerperspektive.