Die letzte Kastanien gesammelt, das Holz für den Winter im Keller gestapelt, kistenweise Kerzen angeschleppt und jetzt geht’s los mit Kochen, Backen, Zusammensitzen, die dunkle Zeit mit Licht und Wärme füllen. So beginnen wir nach diesem ewigen Sommer den Herbst. Endlich Regen, Kälte, Winde, wir ziehen uns nach Innen zurück. Der November steht vor der Tür, für viele kein willkommener Monat, Nebelschwaden, feuchtkaltes Wetter, Blätter von den Bäumen und lange Dunkelheit.
Aber jetzt ist „Hygge“ angesagt. „Hygge“ hat seinen Ursprung nicht in der dänischen Sprache, sondern in der norwegischen, in der der Begriff so etwas wie „das Wohlbefinden“ bedeutet. Der Begriff tauchte erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts in der dänischen Schriftsprache auf und seitdem haben die Dänen sich den Begriff zu eigen gemacht. Das Gute an „Hygge“ ist, dass es sich in alle Kontexte integrieren lässt. „Hygge“ ist inzwischen ein Kernbestandteil der dänischen Tradition. Im Wesentlichen ist „Hygge“ eine gemütliche, herzliche Atmosphäre, in der man das Gute des Lebens mit netten Leuten zusammen genießt. Das warme Licht der Kerzen ist „Hygge“. Freunde und Familie gehören auch zur „Hygge“. Und nicht zu vergessen das Essen und Trinken – das heisst für Dänen am liebsten mehrere Stunden am Tisch zu sitzen und sich gemeinsam mit den größeren und kleineren Dingen des Lebens auseinanderzusetzen.
Wenn wir Glück haben, dann ist der jetzt schlagartig beginnende Herbst und bald schon Winter etwas Schönes für uns. Dann machen wir es uns gemütlich und geniessen. Gehen in die Innenschau, beschäftigen uns wieder mit dem Innenleben. Der Herbst ist eine Saison, in der geerntet und die Ernte gefeiert wird.
Wie sieht es mit Deinem Resümee dieses Jahres aus?
Was hast Du dazu gewonnen, was gelernt und neu erkannt?
Welche Weichen haben sich gestellt oder hast Du gestellt?
Hast Du es gut genutzt und gelebt, dieses Jahr?
In den letzten Wochen hörte ich mich öfters nicht gut über 2018 reden und hätte es gerne schneller beendet, ohne die noch verbleibenden 8 Wochen abzuwarten. Und dann ging es mir plötzlich selbst auf die Nerven, dieses Jahr so pauschal als schlechtes Jahr abzubuchen. Ich holte meine Agenda heraus und schrieb eine Liste, was in diesem Jahr alles Wunderbare geschehen ist und wen ich Wunderbares neu kennengelernt oder auch freundlich begleitet habe diese Jahr. Und siehe da: Das Jahr war voller Schätze!
Einen grossen Schatz bekam ich in der vergangenen Woche als „good news“ geschenkt. Das war dann mal eine kleine Krönung auf meiner Glücksagenda. Vielleicht kommen noch ein paar mehr! Es sind doch NOCH 8 Wochen Zeit!
Mach doch dieses hyggelige Herbstvergnügen: Eine Kerze anzünden, feinen Tee kochen und etwas Leckeres zum Essen dazu. Ein leeres weisses Blatt und einen liebsten Stift und dann: Ernte einfahren!
Was war toll an diesem Jahr?
Was hast Du geerntet?
Für was bist Du wirklich dankbar diesem Jahr 2018?
Na also! Das nährt Dich in der dunklen Zeit, die nun kommt.
Feire das Leben, Jetzt.
Willkommen in der Adlerperspektive.
Herbsttag
Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß.
Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren,
und auf den Fluren lass die Winde los.
Befiehl den letzten Früchten, voll zu sein;
gib ihnen noch zwei südlichere Tage,
dränge sie zur Vollendung hin, und jage
die letzte Süße in den schweren Wein.
Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr.
Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben,
wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben
und wird in den Alleen hin und her
unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.
Rainer Maria Rilke, 21.9.1902, Paris