Sie war 1918 geboren und hiess Magdalena, wurde aber immer nur Leni genannt. Ihr Name blieb jung, weil ihr Leben eigentlich nur stattfand, als sie jung war. Als junge schöne Frau lernte sie Heinrich kennen, der bald in den Krieg ziehen musste. Sie waren beide ideologisch auf der damals stimmenden Seite. Er kam von der Front um mit ihr Kinder zu machen für das neue Vaterland, schon mit 21, dann noch einmal mit 23 bekam sie ein Kind. Den Mann hat sie nie wieder gesehen, er sei „gefallen“ wie man damals sagte, tapfer an der Front wurde behauptet. Sie blieb, wie viele andere, alleine zurück.
Während des Kriegs gab es kaum etwas zu essen und unendlich viele bange Stunden in den Bunkern mit den kleinen Kindern. Danach ging es an die Aufräumarbeiten, die Trümmerfrauen bauten Deutschland wieder auf. Fast alle Männer waren tot, viele traumatisiert oder invalide. Magdalena hat nie mehr einen Mann geliebt, auch, weil es viele viele Jahre keine mehr gab. Sie zog die beiden Kinder alleine gross, eine Zeit der Härte und Entbehrung, eine einsame Zeit. Ihre klägliche Kriegswitwenrente vom Staat besserte sie mit Näharbeiten auf. Es gab nicht viel Helles in ihrem Leben. Später wurde sie eine liebende Grossmutter, sie war aber immer einsam und allein. Sie starb früh nach einem ungelebten durchlittenen Leben. Die letzten Jahre ertrug sie das Leben nur noch mit Schmerzmitteln, nach denen sie süchtig war. Das Leben ein Schmerz.
Magdalena war meine Grossmutter. Ich kann mich nicht mehr gut an sie erinnern. Konnte sie auch nicht fragen nach ihren Gedanken, den schönen Momenten in ihrem Leben, nach Idealen und unerfüllten Wünschen. Ich war selbst noch im Tiefschlaf des Lebens als sie ging. Heute schaue ich auf ihr Leben zurück und vergleiche und spüre Dankbarkeit für mein Leben.
Das Leben – eine Reise.
Wie ist die Geschichte Deiner Ahnen?
Was haben sie Dir hinterlassen?
Hast Du ihr Leben nachgelebt?
Oder genau das Gegenteil?
Was hast DU bislang gemacht aus dem Geschenk des Lebens?
Lebst Du DEIN Leben oder eines, das jemand anders für Dich bestimmt hat?
Wenn wir unsere Ahnenlinien zurück verfolgen bekommen wir immer Antworten auf dies und das, was uns antreibt oder erschüttert. Wir können enorm viel lernen aus diesem Geschenk. Wir können verstehen und verzeihen, unsere eigenen Entscheidungen vielleicht noch genauer verstehen.
Denn: Wir müssen nicht das Leben unser Vorfahren leben. Wir dürfen und müssen entscheiden, was unsere Grundmotivationen im Leben sind. Auch und gerade wegen der Geschichte unserer Ahnen.
Zurück blickend auf meine Oma weiss ich, dass ich auch wegen ihr hedonistisch veranlagt bin. Alles erfahren und alles erleben will. Lieben und geniessen will. Das war schon immer so. Dem Tag entgegen jubeln, das Leben ganz und gar umarmen.
Was hat Deine Lebensgeschichte zu erzählen?
Die Deiner Eltern und Grosseltern?
Wir sind jetzt im Monat November angekommen. Nebel und Dunkelheit und Rückzug, auch von aussen gewünscht im Moment. Zeit für Ein-Sicht und Rück-Sicht. Mache Dir klar, was Deine Ahnen Dir sagen wollen. Was sie Dir da gelassen haben. Schau Dein Leben an. Ist es ein gutes, ein reiches und gut gelebtes Leben?
Und wenn (noch) nicht – Was kannst Du für seine Tiefe, seine Schönheit, seine wertvolle Essenz (noch) tun?
Willkommen in der Adlerperspektive.